„Die Idee der Reise“, erläuterte Claudia Roth gegenüber der DW, „war es, einen Einblick in die innenpolitische Situation zu gewinnen, mit Blick auf die anstehenden Wahlen in einem Jahr, auf die Auseinandersetzungen zwischen Reformern und Konservativen sowie auf die Zivilgesellschaft.“ Bei dem Besuch sei es aber auch darum gegangen, all diejenigen zu stärken, die für Reformen und die Universalität der Menschenrechte eintreten. So seien etwa der Fall der Ende Oktober 2014 hingerichteten Rejhaneh Jabbari in den Gesprächen genauso ein Thema gewesen wie der des im Iran inhaftierten Anwalts und Trägers des Nürnberger Menschenrechtspreises Abdolfattah Soltani. Auch über die Situation der im Iran besonders verfolgten religiösen Minderheit der Bahá’í habe man intensiv gesprochen. Allein während der fünf Tage ihres Besuches im Land sollen mehrere Todesstrafen vollstreckt worden sein. „Leider steht der Iran noch immer auf Platz zwei, was die Hinrichtungen weltweit angeht“, sagte Claudia Roth. „Da hoffe ich, dass die Reformer die Kraft bekommen, auch im Justizapparat Erneuerungen zu ermöglichen.“
Iranische Abgeordnete reagieren verärgert
Einigen iranischen Abgeordneten gefiel gerade diese Parteinahme überhaupt nicht. Sie reagierten insbesondere verärgert darauf, dass die Grünen-Politikerin für die Aufhebung des vierjährigen Hausarrests der Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi eingetreten sei. Die beiden hatten gegen angebliche Wahlfälschung bei den Präsidentenwahlen 2009 protestiert. Der Leiter des Auswärtigen Ausschusses, Alaeddin Borudscherdi, forderte daraufhin sogar die Einbestellung des deutschen Botschafters in Teheran.
„Ich habe natürlich gemerkt, wie groß die Nervosität war“, sagte Claudia Roth gegenüber der DW, „und dass die Sicherheitskräfte überall waren. Einige Gespräche, die ich zum Beispiel mit Menschenrechtsvertretern führen wollte, konnten nicht stattfinden.“ So habe Roth unter anderem mit der Frauenaktivistin Nargess Mohammedi sprechen wollen, einer engen Mitarbeiterin von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. „Es herrscht offensichtlich Angst vor Begegnungen. Man hat alles kontrolliert“, sagt Claudia Roth. „Ich frage mich, wovor der Iran Angst hat, wo er doch sonst immer von Stärke redet.“
Unglücklicher Zeitpunkt?
Doch Kritik kam nicht nur aus konservativen Kreisen im Iran. Auch verschiedene Israel-nahe Organisationen kritisierten den Iran-Besuch scharf, so etwa „Stop the Bomb“ oder das „American Jewish Committee“. Dass sich die Parlamentarier etwa mit der Chefin der staatlichen iranischen Umweltschutzorganisation, Masoumeh Ebtekar, trafen, um über die massiven Umweltschäden am Urmiasee im Norden des Landes zu sprechen, stößt den Verbänden sauer auf. Denn Ebtekar war unmittelbar an der Geiselnahme in der US-Botschaft von Teheran 1979 beteiligt gewesen. Auch das Timing erscheint den Kritikern der Reise unangebracht. Vom 21. bis zum 26. Januar hielten sich die Bundestagsabgeordneten im Iran auf; direkt vor dem 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27.01.1945) trafen sie dabei unter anderem Irans Parlamentspräsidenten Ali Laridschani. Dieser hatte unter anderem auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2009 für Irritationen gesorgt, als er zur Frage des Holocausts sagte, dass es dabei „eben unterschiedliche Sichtweisen“ gebe. In westlichen Ländern dürfe Mohammed ungestraft beschimpft werden, im Iran seien Aussagen über den Holocaust nicht strafbar. „Aber ich bin kein Historiker, ich bin Politiker, und ich möchte nicht weiter über dieses Thema sprechen“, so Laridschani damals weiter.
Auf ihrer Internetseite verteidigt Claudia Roth dieses Treffen: „Gegen Antisemitismus in Deutschland und in der ganzen Welt stehen wir alle in der Pflicht“, so die Bundestagsvizepräsidentin. „Unsere politische Verantwortung nach der Shoa war deshalb in den Gesprächen jeweils ein ausführliches Thema.“ Zudem habe sie gleich mit ihrem ersten Termin, dem Besuch der jüdischen Gemeinde und des jüdischen Krankenhauses in Teheran, ein deutliches Zeichen gesetzt. Und nur einen Tag nach ihrer Iran-Reise war Claudia Roth wieder in Berlin. Im Bundestag eröffnete sie zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz die Ausstellung „Der Tod hat nicht das letzte Wort – Niemand zeugt für den Zeugen“, in der noch bis Ende Februar Werke von ehemaligen KZ-Insassen und deren Kindern, Enkel und Erben gezeigt werden.